Vertrauen wiedergewinnen
5. Oktober 2020Wie entsteht Intimität?
Wir alle sehnen uns nach wirklicher Nähe und Intimität mit anderen Menschen. Gespräche über Alltägliches, über Politik, der Austausch von Meinungen mag interessant sein, doch letztlich wollen wir Menschen tiefer begegnen.
Wie entsteht also wirkliche Intimität?
Ich kann einem anderen Menschen nur dann wirklich nahe sein, wenn ich mir selbst nah bin, wenn ich mich selbst kenne mit all meinen Sonnen- und Schattenseiten. Wenn ich immer nur an der Oberfläche lebe, ständig auf der Flucht vor unangenehmen Gefühlen, permanent beschäftigt und abgelenkt durch die Medien bin, nicht wirklich im Kontakt mit mir, mich selbst gar nicht kenne, wie soll ich so anderen Menschen nah sein?
Ich zeige dann nur einen kleinen Ausschnitt von mir selbst, von dem ich denke, dass er akzeptiert wird, ich bin nicht authentisch. Wie oft höre ich in meiner Arbeit den Satz „Wir leben nur noch nebeneinander her“. Vielleicht lebst du schon lange neben dir selbst???
Wirkliche Intimität entsteht dadurch, dass wir uns dem anderen zeigen, wie wir sind, nicht nur unsere Schokoladenseiten, sondern auch unsere dunklen, schambesetzten, häßlichen Anteile, die wir nur allzu gerne verbergen. Wenn wir alles, was die Sicherheit gefährdet, aus unseren Beziehungen heraushalten, werden diese unlebendig. Das ist der Preis der Sicherheit.
Es braucht großen Mut, zu uns selbst zu stehen, zu sagen, was wir denken und fühlen, doch manchmal müssen wir Beziehung riskieren, damit sich eine Beziehung weiterentwickeln kann. Wir müssen lernen Konflikte auszutragen statt sie unter den Teppich zu kehren. Dabei ist es wichtig, unterschiedliche Meinungen auszuhalten statt uns in einem Teufelskreis von Kampf und Flucht zu erschöpfen und recht haben zu wollen.
Verletzlichkeit ist der Schlüssel zu wirklicher Intimität.
Wenn ich immer nur meine Wut ausagiere oder meinem Fluchtimpuls folge, komme ich aus dem Konfliktzirkel nicht heraus. Ich muss bereit sein zu fühlen und mitzuteilen, was unter diesen Impulsen steckt: Schmerz, Trauer, Angst oder Hilflosigkeit.
Und es ist wichtig, dass wir die Verantwortung für diese Gefühle selbst übernehmen. „Du bist schuld, dass es mir schlecht geht“ macht uns zum Opfer anderer und von ihren Launen abhängig. Darüber hinaus stimmt der Satz nicht wirklich.
Für unsere Gefühle sind wir grundsätzlich selbst verantwortlich, sonst würden nicht zehn verschiedene Menschen in der gleichen Situation unterschiedlich reagieren. Je nachdem welche Bedeutung wir dem Erlebten geben, sind wir verletzt oder aber nicht. Gefühle entstehen in uns, sie haben viel mit früher Erlebtem zu tun. Kein Mensch kann uns ein Gefühl „machen“.
Ja, uns wahrhaftig zu zeigen ist gefährlich und macht Angst. Es kann heftige Gefühle in unserem Partner/unserer Partnerin auslösen, mit denen wir nur schwerlich umgehen können. Aber es bringt auch eine nie da gewesene Tiefe in unsere Beziehung. Welch ein Abenteuer!