Streit um Geld
21. Februar 2017Machtspiele
14. September 2017Anpassung und Selbstbehauptung
Beides ist wichtig für eine gelingende Beziehung
Wir Menschen haben zwei Grundbedürfnisse:
1. Das Bedürfnis nach Autonomie, Freiheit, Selbstständigkeit, Unabhängigkeit, Abwechslung,
2. Das Bedürfnis nach Bindung, Beziehung, Sicherheit, Geborgenheit, Dauer.
Wenn wir zu autonom sind, kommt keine wirkliche Beziehung zustande. Wer sich nicht anpassen kann, der kann sich nicht binden. Wir sind dann nicht etwa, wie wir es gerne behaupten, unabhängig, sondern anti-abhängig, haben Angst vor Nähe und Selbstverlust. Wirkliche Autonomie zeigt sich im direkten Kontakt mit einer uns wichtigen Person, nicht wenn wir alleine sind.
Wenn allerdings eine Beziehung zu wichtig wird, besteht die Gefahr, dass wir uns zu sehr anpassen und unsere Autonomie aufgeben. Wer sich nicht selbstbehaupten und abgrenzen kann, wer keinen eigenen Standpunkt hat, verliert innerhalb einer Beziehung seine persönliche Freiheit. Aus Angst vor Verlust des Partners und vor Alleinsein werden wir manipulierbar und machen zu viele Kompromisse.
Nur wenn die beiden Lebenskräfte Autonomie und Bindung, Anpassung und Selbstbehauptung ausgewogen vorhanden sind und gelebt werden, kann zwischen zwei Menschen eine befriedigende Beziehung entstehen. Wir sind dann sowohl bindungsfähig als auch in der Lage, gut mit uns selbst zu sein. Voraussetzung für eine gute Beziehung zu anderen Menschen ist also eine gute Beziehung zu uns selbst. Es ist wichtig, dass wir unsere eigenen Gefühle und Bedürfnisse genauso wahr und ernst nehmen wie die Bedürfnisse und Gefühle anderer Menschen.
Um des Miteinander willen die eigene Individualität aufzugeben hat langfristig ebenso negative Folgen, wie wenn wir um unserer Individualität willen die Beziehung aufgeben. Beides schwächt sowohl die eigene Persönlichkeit als auch die Beziehung.
Vielen Partnerschaftsproblemen liegen Verschmelzungsphantasien zugrunde. Die Partner leben in der Illusion, der andere müsse, wenn er wirklich liebt, genauso empfinden und handeln wie man selbst. Für verschiedene Meinungen gibt es keinen oder nur wenig Platz. Die Partner sind dann wie siamesische Zwillinge, völlig abhängig von der Reaktion des anderen.
Der amerikanische Paar- und Sexualtherapeut David Schnarch unterscheidet zwischen Verschmelzung und Differenzierung. Emotionale Verschmelzung ist Verbundenheit ohne Individualität. Differenzierung ist dagegen die Fähigkeit, Nähe herzustellen und sich verbunden zu fühlen ohne zu klammern oder sich vereinnahmen zu lassen. Ein echtes Miteinander hat paradoxerweise zur Voraussetzung, dass es auf der emotionalen Ebene eine klare Trennungslinie zwischen zwei Menschen gibt.
Wenn wir an Verschmelzung denken, so steigt in uns das Bild eines Paares auf, das ein Herz und eine Seele ist. Doch auch Paare, die permanent streiten, leben in der Verschmelzung. Sie ertragen es nicht, wenn der Partner anderer Meinung ist als sie selbst – und eben das ist ein Zeichen dafür, wie wichtig sie füreinander sind. Sie sind von der Reaktion des Partner/ der Partnerin emotional abhängig, und wenn diese nicht so ausfällt, wie sie es sich wünschen, fühlen sie sich ungeliebt und kämpfen um ihren Standpunkt.
Differenzierung bedeutet, dass wir die beiden elementaren Lebenskräfte in Einklang bringen: Das Bedürfnis nach Individualität und das Bedürfnis nach dem Miteinander. Der Wunsch nach Individualität treibt uns an, unsere eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen, unsere Eigenständigkeit zu fördern und unser einzigartiges Wesen zu entwickeln. Die Sehnsucht nach dem Miteinander wiederum hält uns dazu an, Kompromisse zu machen, die Bedürfnisse unserer Mitmenschen wahrzunehmen und uns in eine Beziehung einzufügen.
Bei der Differenzierung geht es um die Frage: Wie kann ich ich selbst und gleichzeitig im Kontakt mit anderen sein? Es ist ein lebenslanger Lernprozess aus einer emotionalen Verschmelzung immer mehr in eine Differenzierung hineinzuwachsen.
Ich zitiere im folgenden aus David Schnarchs Buch „Die Psychologie sexueller Leidenschaft“ (S. 66):
„Differenzierung ist die Fähigkeit, im engen emotionalen und/oder körperlichen Kontakt zu anderen ein stabiles Selbstgefühl zu wahren – insbesondere wenn diese anderen Ihnen immer wichtiger werden. Menschen, die in ihrer Differenzierung weit fortgeschritten sind, können mit anderen einig sein, ohne das Gefühl zu haben, sich zu „verlieren“, und anderer Meinung sein, ohne sich dabei isoliert oder gekränkt zu fühlen.“
Empfohlene Literatur
Ulrike Dahms Bücher
u. a. „Schattenheilung – die dunkle Seite der Seele befreien“, Schirner Verlag